Trauma und Politik

Menschen mit traumatischen Erfahrungen brauchen mehr als psychosoziale Versorgung, sie brauchen Recht und Gerechtigkeit.

  • Kinder, die als Folge von sexualisierter Ausbeutung und Vernachlässigung komplex traumatisiert sind, brauchen eine Lobby, die dafür sorgt, dass sie alle notwendigen Unterstützungsangebote bekommen, um die „Narben der Gewalt“ so zu verarbeiten, dass sie ihr Wesen entfalten und in die Gesellschaft hineinwachsen können. Eine Gesellschaft, die ihre Zukunft – die Kinder – so wenig schützen kann, muss über ihren eigenen Zustand nachdenken.
  • Frauen*, die sexualisierte und/oder häusliche Gewalt erfahren haben, bekommen ihre Würde nicht allein in Beratung, Therapie und Frauen*häusern zurück. Oft haben sie mit ihrer Würde auch ihre Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe verloren. Sie brauchen eine politische Bewegung, die an geltende Gesetze erinnert und hilft, diese durchzusetzen. Sie brauchen Menschen, die nicht aufhören, sich dafür einzusetzen, dass Gewalt gegen Frauen* und Kinder gesellschaftlich geächtet wird.
  • Angst vor Angriffen auf Leib und Leben und verschiedenste Formen der Diskriminierung sind für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*-, Inter*- und Queer-Menschen (LSBTIQ) Alltagserfahrungen. Es braucht sichere und finanziell gut ausgestattete Orte, wo diese Menschen sich gegenseitig stärken können, um angstfrei und stolz lieben und leben zu können.
  • Menschen, die aus Kriegsgebieten oder aus Ländern, die der Globale Norden ausgebeutet hat, zu uns flüchten, die in ihren Heimatländern gesehen haben, wie Familienangehörige verhungern und die Folter und Terror erlebt haben, sind bei uns oft nur „geduldet“. Einmal hier angekommen, sind sie nicht in Sicherheit, denn alltägliche rassistische Erfahrungen, Ausschluss und Diskriminierung sind ständige seelische und gesundheitliche Belastungen, denen sie ausgesetzt sind. Sie brauchen die Parteilichkeit einer Zivilgesellschaft, die bereit ist, Reichtum, Chancen und Privilegien zu teilen.
  • Der Zorn der Black-Lives-Matter-Bewegung hat es vermocht, das weiße, dominante koloniale Weltbild mindestens etwas zu erschüttern. People of Color werden sichtbarer in den Medien und Arbeitszusammenhängen. Es ist an uns weißen Menschen, tief verankerte Stereotypen zu verlernen und damit einen Beitrag dazu leisten, dass das alte postkoloniale Machtgefüge in sich zusammenfällt. Es werden die People-of-Color-Menschen sein, die darüber entscheiden, ob wir uns auf Augenhöhe begegnen können.
  • Be_hinderte Menschen und insbesondere Frauen* und Mädchen* leben mit dem höchsten Risiko, sexualisierter Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt zu sein. Nicht selten passiert ES in den Einrichtungen, die ihnen Schutz, Versorgung und Bildung versprechen. Ich wiederhole hier die Forderung meiner körperbehinderten Schwester Aiha Zemp, die zeitlebens nicht müde wurde, darauf zu pochen, dass be_hinderte Menschen Selbstbestimmung und Rechte brauchen statt Barmherzigkeit.

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